Ein Loblied auf alternierende Tees.
“Nee! Nee, nee, nee! Halt, halt, halt! Der Mann mit dem hochroten Kopf rennt hastig vom Grün, springt in sein Cart und gibt Gas. Er beobachtet uns seit einigen Löchern argwöhnisch. Jetzt hat er genug von dem Quatsch. Je näher er kommt, desto lauter wird er. „Das geht doch nicht! Was glauben Sie denn?“ blafft er meinen Spielpartner T. an, der gerade im Begriff ist, seinen Ball aufzuteen. „Das ist der Damenabschlag!“ Ein schneller Blick auf die im Boden steckende Markierung gibt ihm Recht. „Sie können von hier nicht spielen!“ „Doch, das kann ich,“ gibt ihm T. lächelnd zu verstehen und schlägt seinen Driver mit einem kontrollierten (und beneidenswert wiederholbaren) Slice auf das unter uns liegende Grün des 260 Meter langen Par 4.
Man wird ja von Leuten, die viel reisen, gelegentlich gefragt, ob das ständige Spielen auf einem Platz nicht elend langweilig wird. Ich selbst spiele gefühlt eigentlich nie einen Platz zweimal. Wer so wie ich streut, langweilt sich nicht. Bunker links und rechts, Rough, Semirough, Wasser, Schräglagen auf den Fairways und ein selten verlässlicher Schwung bringen genug Abwechslung. Was aber ist mit den guten Spielern, die meistens auf dem kurzen Zeug liegen, deren Bälle nicht im Aus verschwinden, die selten im Nassen landen und in vielen Fällen in Regulation auf dem Grün liegen und die nicht über die Mittel verfügen, ständig in die Ferne zu schweifen?
„Du willst was?“ F. ist nicht begeistert, eigentlich hat er überhaupt keine Lust drauf. „Komm, lass uns doch einfach nur spielen. Das ist Quatsch!“ Doch T. ist hartnäckig. „Lass es uns probieren.“ T. langweilt sich nämlich. Kein Wunder, immer auf dem Fairway, immer auf dem Grün, oft unter Par. Mein Mitleid hält sich in Grenzen, aber seine Idee hat was.
Ganz simpel: Wer ein Loch gewinnt, entscheidet darüber, von welchem Tee als nächstes abgeschlagen wird. Gewählt werden dürfen alle „offiziellen“ Abschläge. Bei unserem damaligen Platz waren das einige. Weiß, gelb, blau, rot und, sehr zum Entsetzen von F., auch grün. Alle spielen immer von einem gemeinsamen Tee. Alt, jung, männlich, weiblich, divers. Par bleibt auf allen Bahnen bestehen. Das funktioniert hervorragend, wenn alle ungefähr gleich gut spielen.
„Nö“, sagt F., „so nicht!“ Mehrere Wochen sind vergangen und inzwischen liebt er die gelegentlichen Runden von den alternierenden Tees. Ihn fuchst jedoch, dass T. meistens gewinnt und folglich die Teebox für den nächsten Abschlag aussuchen darf. Häufig zu seinem Vorteil. Ein anderes System muss her. F. ist Ingenieur. Das Internet bietet Abhilfe. Diverse Apps, die den Zufall generieren, kann man dort für wenig Geld erwerben. Einige lassen sich so programmieren, dass man niemals hintereinander von der gleichen Farbe spielen wird. Praktisch. Der Gewinner des Lochs darf auf die Taste des Zufallsgenerators drücken. Irgendeinen Preis muss es ja geben!
Das Ganze hat zur Folge, dass unsere kleine Gruppe seit einiger Zeit einmal die Woche so spielt. Bisher, das weiß F. – der etwas pingelige Zahlenfreund – ganz genau, haben wir den Platz niemals in der gleichen Abfolge gespielt. Er ist immer eine Neuentdeckung. Auch für T, der sich nun seltener langweilt. Wobei, so richtig langweilig war es ihm wohl nie.
Der Mann aus dem Cart hat sich das Spiel nach Luft schnappend erklären lassen. Grummelnd, aber etwas beruhigt ist er davongefahren. Ich bin mir nicht sicher, aber ich meine, ihn neulich mit seiner Frau auf dem Platz gesehen zu haben. Sie haben gemeinsam von Rot abgeschlagen.